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Sonntag, 31. Mai 2015

Zitat: Die Botanik...

Die Botanik ist keine sesshafte und träge Wissenschaft, bei der man in der Ruhe  und im Halddunkel seines Arbeitszimmer vorankommt. Sie verlangt, dass man Berge überquert und durch Wälder streift, dass man durch zerklüftete Felsen klettert und sich an den Rand von Abgründen begibt.”
Fontenelle “Lobschrift auf Monsieur de Tournefort” (1709)
 
Geografie der äquinoktialen Pflanzen auf einer von Humboldt erstellten Tafel der Anden mit Nachbarländern, basierend auf den Beobachtungen und essungen vor Ort von 10 Grad nördliche Breite bis 10 Grad südliche Breite in den Jahren 1799,1800, 1801, 1802 und 1803.

Freitag, 22. Mai 2015

Zeigerart: Dibaeis und Baeomyces

Die Flechtenart Dibaeis baeomyces wächst auf mageren und sandigen Böden entlang von Böschungen, weit verbreitet außer in Kalkgebieten, selten.
Die ähnliche Flechtenart Baeomyces rufus, mit kleineren, braun-gefärbten Apothecien und grünem Lager, wächst auf sauren Erdboden, feuchten oder nicht zu exponierten Felsen und Steinen.
 
Baeomyces rufus oder Braune Köpfchenflechte auf Phyllit, ost exponierter Fels auf 1.360m SH, Haidenberg, Südtirol (22. Mai 2015).
 
Dibaeis baeomyces oder Rosa Köpfchenflechte auf sandig-lehmigen Substrat, nord-ost exponierter Abhang auf 1.380m SH, Haidenberg, Südtirol (22. Mai 2015).

Dienstag, 19. Mai 2015

Heuschreckenplagen im Alpenraum

Heuschreckenplagen sind ein furchterregendes Naturereignis, ein Schwarm kann ganze Landstriche kahlfressen, Ernten vernichten und Hungersnöte verursachen. Chroniken aus dem Mittelalter und der frühe Neuzeit berichten von solchen Katastrophen auch in Mitteleuropa.

…die heyschreckhen kamen aus Tartarej durch Vungarn vnnd durch Österreich vnnd durch alle deutsche Lanndt, vnnd kamen geen Bozn an Sannt Bartholameentag, vnnd flugen vierzehen tag durch, vnnd hueben an zefliegen vmb Terz Zeit vnnd flugen auf Veir Zeit vnnd liessen sich da nider vnnd wuesten ds veld vberal an hew vnnd an graß vnnd korn wie es genannt was vnnd nicht an Wein; vnnd flog etwann dickh, das man die Sunen kaum auf die erde brueffte, wie haiß es was, vnnd zugen bey dem wasser ab hunz in das mr; dass geschach Anno ain tausennt drew hundert vnnd achtunddreissig Jar zu ausgennden augst.
Auszug aus der Bozner Chronik über einen Heuschreckenschwarm der im August 1338 über Mitteleuropa, sowie das Inntal und Südtirol, hereinbrach - erst ein früher Schneeeinbruch Mitte Oktober hielt die Schwärme auf. Heuschreckenplagen in Europa wiederholten sich in 1339-1340, in 1340 wurden die Heuschrecken schließlich durch eine Regenperiode im August vertrieben.

Auch  im September 1340 soll über Wochen hinweg ein Schwarm durch das Land gezogen sein, die Heuschrecken “zerkäuten auch den Frauen ihre Röcke und Mäntel.” Man versuchte die Heuschrecken zu erschlagen, mit mäßigen Erfolg. In der Verzweiflung griff man zu einem allerletzten Mittel – den Kirchenbann der Insekten.

Die Geschworenen des Gerichtes, die um ihr Urteil gefragt wurden, erkannten zu recht, daß diese Thiere dem Land und den Leuten schädlich und verderblich seien, und daß der Pfarrer auf der Kanzel bei brennenden Lichtern sie verbannen soll.

Unglücklicherweise kehrten die Heuschrecken im folgenden Jahr wieder.

Abb.1. Darstellung einer Heuschrecken auf einem zeitgenössischen Bildstock.

Heuschreckenplagen im Tiroler Raum:

  • 1338-41: Heuschreckenplage im Inntal und Südtirol.
  • 1346: Heuschreckenplage in Trient.
  • 1477: Heuschrecken verwüsten das Etschland.
  • 1547: Um der Heuschreckenplage Herr zu werden werden neben Bittprozessionen auch Leute zwangsverpflichtet Heuschrecken zu erschlagen und in Gräben zu ertränken oder zu vergraben, trotzdem haben „Sie haben einen mächtig großen Schaden gethan und alles Getreide auf dem Felde bis auf den Boden abgefressen.“
  • 1612: Heißer Sommer, Tirol wird von Heuschrecken heimgesucht.
  • 1693: Heuschrecken suchen Innsbruck heim.“Am 28. August 1693 Nachmittag um 2Uhr bis 5 Uhr sind so schrecklich viel Heuschrecken geflogen durch das ganze Land herauf, als wenn es schneien thät. Dies hat 5 Tage gedauert. Sie sind aus Ungarn heraufgekommen.
  • 1749: Am 12. September 1749 werden öffentliche Andachten angeordnet, um das sich nähernde Übel von Brixen fernzuhalten.
  • 1869: Heuschreckenzüge im Juli und Anfang August.

Literatur:

NUSSBAUMER, J. & RÜTHEMANN, G. (2000): Vergessene Zeiten in Tirol – Lesebuch zur Hungergeschichte einer europäischen Region. Band 11 Geschichte & Ökonomie, Studienverlag: 175

Zeigerart: Peltigera

Die Flechtenart Peltigera leucophlebia wächst auf Silikat- und Kalkgestein, auch auf Erde an frischen Böschungen und bemooste Abhängen (schattig und feucht bevorzugt)  in höheren Lagen. 

Apfelflechte bzw. Peltigera auf bemoosten Waldboden, nordwestlich exponierter Abhang auf 1.800m SH, Tesselberg, Südtirol (17. Mai 2015).

Samstag, 9. Mai 2015

Die Vegetationsstufen in den Alpen

Bereits der große Forscher Friedrich Alexander Freiherr von Humboldt (1769-1859) bemerkte das mit zunehmender Höhe sich im Gebirge die Landschaft wie auch die Vegetation verändert. Auf Laubwäldern folgen Nadelwälder, schließlich werden hochwüchsige Pflanzen von Arten mit niedrigen Wuchs ersetzt.

 
Profil durch die Alpen, aus dem Berghaus-Atlas (1845-1862), als Beilage zu Humboldts Lebenswerk "Kosmos" gedacht.

Die Vegetationsstufen in den Alpen (Voralpen 100-1.500m, Mittelalpen 1.500-2.500m, Hochalpen ab 2.500m Seehöhe):
  • Hügelstufe / Kolline Stufe: Vom Tiefland bis zur oberen Grenze des Weinbaus, um die 500m Seehöhe am nördlichen Alpenrand zu 1.000m in den Südalpen. Die Durchschnittstemperatur beträgt 8-12°C mit einer Wachstumsperiode von 250 Tage im Jahr. Laubmischwälder und Grünland dominieren.
  • Bergstufe / Montane Stufe: Bis zu einer Seehöhe von 1.300-1.800m Seehöhe. Die Durchschnittstemperatur beträgt 4-8°C mit einer verkürzten Wachstumsperiode von 200 Tage im Jahr. Laubwälder mit Buche, Mischwälder mit Tanne und Fichte kommen hinzu.
  • Subalpine Stufe: Bis zu einer Seehöhe von 1.900-2.400m Seehöhe. Die Durchschnittstemperatur beträgt +1 zu -2°C mit einer verkürzten Wachstumsperiode von 100 bis 200 Tage im Jahr. Frost-tolerante Arte, wie Fichte, Lärche und Zirbe dominieren. Bei 2.000 liegt generell die Waldgrenze.
  • Alpine Stufe: Bis zu einer Seehöhe von 2.400-3.200m Seehöhe. Die Wachstumsperiode beträgt maximal 100 Tage, Durchschnittstemperatur beträgt -2,1 bis -6,2°C, bei 2.500 liegt generell die Schneegrenze.
  • Schneestufe / Nivale Stufe: Ab einer Seehöhe von 3.000m. Der Schnee bleibt großflächig und ganzjährig liegen.Die starke Erosion durch tägliche Temperaturschwankungen erschwert die Bodenbildung,Pflanzen kommen nur noch in Nischen, oder an Felswänden oder auf Graten vor.

Mittwoch, 6. Mai 2015

Zeigerart: Lasallia

Die Flechtenart Lasallia pustulata wächst auf Silikatgestein, bevorzugt an feuchten Stellen.




Lasallia auf Glimmerschiefer, Pustertal, Südtirol.

Zeigerart: Cerastium

Die verschiedenen und zahlreichen Arten des Hornkrauts sind an ein Leben in Fels und Geröll angepasst. Als Schuttdecker, Schuttwanderer und Schuttüberkriecher sind sie mit langen Pfahlwurzeln im Schutt gut verankert. Einzelpflanzen können Wandertriebe ausbilden, die über den Schutt kriechen und neue Polster bilden können.

Das Einblütige Hornkraut (Cerastium uniflorum) kommt hauptsächlich in Silikatschutt vor. Das Breitblättrige Hornkraut wächst ausschließlich auf Kalk. Das Langstielige Hornkraut wächst auf feuchtem, saurem Felsschutt.

Cerastium auf Kalkschiefer, Ahrntaler Berge, Südtirol.

Geologie und Pflanzen: Eine Einführung

"Denn der Bergmann muß in seiner Kunst die größte Erfahrung besitzen, so daß er erstlich weiß, welcher Berg oder Hügel, welche Stelle im Tal oder Feld nutzbringend beschürft werden könne, oder ob er auf die Schürfung verzichten muß."
"Zwölf Bücher vom Berg- und Hüttenwesen", I. Buch

Bereits prähistorische Prospektoren müssen gewisse Hinweise an der Oberfläche, die auf verborgene Schätze in der Tiefe hinweisen können, aufgefallen sein. Verwitterungsresistente Gesteine, die Erz enthielten, wie z.B. Dolomit, konnten als Härtlinge morphologische Landschaftsformen ausbilden. Auch Aufschlüsse in Bachbetten, Erosionsrinnen und Hangrutsche, auffallende Färbung des Gesteins, „Lesesteinkartierung“ in Hangschutt unter Felswänden, chemische Ausfällungen in Bächen, der metallische Geschmack von Quellen sowie Wachstumsanomalie oder bestimmte Pflanzenarten im Gelände können auf Erzadern hinweisen. 


Abb.1. Eine Quelle, der metallische Geschmack des Wassers, aber vor allem der (Rost-)rote Schlamm und die Eisenoxid-Krusten weißen auf einen hohen Eisenanteil im Gestein hin.

Das Lesen dieser Hinweiße schien Unkundigen oft geheimnisvoll, ja wurde sogar mit Hexerei gleichgesetzt.
 
Im Alpenraum spielen Sagen um die geheimnisvollen Venedigermandl eine große Rolle. Diese anscheinend italienischen Erzsucher besaßen große Kenntnisse, aber auch zauberhafte Utensilien wie den Bergspiegel, mit denen sie sozusagen in den Berg hineinschauen konnten. Der Ursprung dieses sagenhaften Werkzeugs ist nicht ganz geklärt. Vielleicht beruht es auf die Fähigkeiten der Prospektoren, aufgrund Verfärbungen oder Strukturen an einer (glatten) Fels- oder Bergwand, auf Erzadern zu schließen.
Klüfte, die Kristalle enthalten können, werden oft durch die geradlinige Verteilung von Pflanzenpolstern angezeigt. Da Klüfte wassergängig sind, dringen Wurzeln in sie hinein und Pflanzen können austreiben.
Diese Wissen wurde im Mythos oft als Hexerei, oder zumindest mit Hilfe von zauberhaften Gegenständen zu erreichen, verklärt.

Tatsächlich listet bereits Georgius Agricola in seinem Textbuch  "De re metallica“ auf, wie die natürlichen Hinweise auf Erzadern im Gelände zu finden und zu beurteilen zu sind – darunter auch bestimmte Pflanzen.

Schließlich muß man auf die Bäume achten, deren Blätter im Frühling bläulich oder bleifarben sind, deren Zweigspitzen vornehmlich schwärzlich oder sonst unnatürlich gefärbt sind ... auch wächst auf einer Linie, in der sich ein Gang erstreckt, ein gewisses Kraut oder eine gewisse Pilzart ... dies sind die Hilfsmittel der Natur, durch die Gänge gefunden werden

Kümmerwuchs von Pflanzen, verursacht durch die Toxizität bestimmter Schwermetalle und Erze, wurde auch von anderen Gelehrten beschrieben, so listet Georg Grandtegger um 1731 bei der Beschreibung des Prettauer Kupfer-Bergwerks auf:

Wenn das Gras oder die Kräuter auf der Erde nicht die rechte Farbe haben oder vor der Zeit verdorren und wenn die Erde kein Gras trägt, so ist das ein Zeichen, daß darunter Erz zu finden ist.“

Findet man Bäume in einem Wald, die ihr Laub vor der rechten Zeit färben oder Mißbildungen in den Wipfeln aufweißen, so ist das ein Zeichen, daß darunter Erz zu suchen ist.“

Findet man alte Baumstöcke in der Erde, die ganz dürr und noch frisch sind, so ist das ein Zeichen von Erz."

Wenn eine Wassergisse ein Gebirge abbläst, soll man schauen, ob ein Baum samt der Wurzel umgefallen ist. Er deckt oft Erz ab.“

Der deutsche Arzt und Botaniker Johannes Thal (1542-1583) beschreibt in seinem "Sylva Hercynica" die Frühlings-Sternmiere Minuartia verna als Pflanze die wiederholt an erzhöffigen Standpunkten vorkommt. Der Italiener Andrea Cesalapino beschreibt die heutzutage treffend bezeichnete Steinkraut-Art Alyssum bertolonii von Serpentinit-Vorkommen im Bereich des Tiber, eine der ersten publizierten Geobotanischen Beobachtungen. Allerdings wird oft noch kein Zusammenhang zwischen Gestein und Vegetation hergestellt, sondern der Humusgehalt der verschiedenen Böden wird als bestimmender Faktor des Pflanzenwuchs angenommen.
Im Verlauf des 18. Jahrhundert werden weitere Erzpflanzen und sogar Erzflechten beschrieben. In 1789 bemerkt der Naturwissenschaftler Heinrich Friedrich Link (1767-1851),

...dass die Pflanzen, die auf trockenem Kalkboden vorkommen, von den anderen, die auf feuchtem tonigem Boden entstehen, verschieden sind.

Der französische Naturforscher Jean-Ètienne Guettard, auf der Suche nach medizinisch interessanten Kräutern, bemerkte eine Verteilung der Pflanzen auf bestimmte Gesteinsarten. In 1780 publizierte er mit diesen Daten in seinem „Atlas et Description Minéralogiques de la France” eine der ersten, wenn auch vereinfachte, geologische Karte.

Aber erst der österreichische Arzt und Botaniker Franz Unger (1800-1870) stellt in seinem 1836 publizierten Werk "Über den Einfluß des Bodens auf die Verteilung der Gewächse" einen direkten Zusammenhang zwischen Vegetation, Boden und Gestein fest. Er billigt den chemischen Eigenschaften des Bodens eine entscheidende Rolle zu und unterscheidet Kalkpflanzen und Tonschiefer- oder Kieselpflanzen. Bereits zwei Jahre später veröffentlicht G. F. Ruehle ein umfangreiches Verzeichnis von "kalksteter" und "urgebirgssteter" Arten im Alpenraum. Um 1882 wird schließlich der Begriff Erzpflanzen, um 1926 "Schwermetallpflanzen“ bzw. um 1963 „Metallophyten“ eingeführt, also Pflanzen die hohe Metallkonzentrationen im Untergrund tolerieren.

Häufig ist in unmittelbarer Umgebung von Erzlagerstätten die Bodenchemie verändert, durch Sulfide oder Schwermetalle verseucht oder der Boden sehr nährstoffarm. Es kann daher in diesen Bereichen zu Kümmerwuchs, schütteres Gras oder das Fehlen von anspruchsvollen Baumarten wie Lärche, Tanne und Buche, kommen.
Metallophyten oder Zeigerpflanzen und spezielle Pflanzenassoziationen können direkt auf Erzspuren im Boden hinweisen, selbst bei schlechten Aufschlussverhältnissen. Wichtige Erzpflanzen, die auch der Geologe kennen sollte, sind das Taubenkropf-Leimkraut (Silene vulgaris und - inflata), die Schaumkresse (Arabidopsis halleri), das Stiemütterchen (Viola sp.), die Grasnelke (Armeria sp.) und die Frühlingsmiere (Minuartia sp.).


Abb.2. Viola sp., in unmittelbarer Nähe zur oben gezeigten Quelle, ein weiterer Hinweiß auf erzhaltiges Gestein im Untergrund.
 
Literatur:

BRAUN-BLANQUET, J.(1928): Pflanzensozologie - Grundzüge der Vegetationskunde. J. Springer Verlag: 330
EMMER, B. & HAFELLNER, J. (2005): Zur aktuellen Vegetation auf Abraum- und Schlackenhalden historischer Kupferbergbaue in der Montanstufe der Niederen Tauern und der Eisenerzer Alpen (Steiermark, Österreich). Mitt. naturwiss. Ver. Steiermark. Bd.134: 121-152
IMHOF, T. (2011): Kristallsuche. Valmedia: 139
PUNZ, W. (2004): Von den Erzpflanzen zu den Metallophyten. Jb. Geol. B.-A., Bd. 144(1): 101-104